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Martin Kerner

Bronzezeitliche Astronomie

Die Bronzescheibe von Nebra

Als die Himmelsscheibe von Nebra im Jahr 2002 erstmals dem Publikum vorgestellt wurde, galt sie als unvergleichbares Unikat: Ihre Darstellungen wiesen klar auf Himmelskörper hin, ein astronomisches Artefakt aus schriftloser Zeit war gefunden. Doch was stellte sie dar?

Die Sichel des Mondes und das Siebengestirn waren unverkennbar, auch wenn es offensichtlich um Symbole, nicht um naturalistische Abbilder ging. Während noch vor Gericht um die Echtheit des Jahrhundert-Fundes gestritten wurde, bekam die Öffentlichkeit verschiedene Interpretationen vorgestellt. Fast immer wurde dabei der grosse Goldpunkt als Vollmond oder auch Sonne angesehen, obwohl diese nie neben der zunehmenden Mondsichel am Himmel stehen.

Martin Kerner beschreitet als professioneller Messtechniker einen anderen Weg. Weil die vermeintliche Sonne auf der Scheibe von zwei Ringen mit je acht Sternpunkten umkreist wird, drängt sich eine Deutung als Durchlauf der Venus durch den Tierkreis auf; auch eine zweite Interpretation führt direkt zu diesem Planeten. Deshalb kann das zweithellste Objekt des Nachthimmels dargestellt sein: die Venus! Die Vermutung bestätigt sich beim weiteren Retrokalkulieren immer wieder: Vor uns liegt nicht nur ein symbolischer Kalender, sondern zugleich der Verfahrensplan für die astronomische Beobachtung und kalendarische Berechnung.

Ein Venuskalender in der Bronzezeit? Was wie ein Anachronismus aussieht, lässt sich rasch durch andere Funde bekräftigen. Kerner studiert die Steinbeile aus der Salzmünder Kultur, die wie die Himmelsscheibe in Halle verwahrt werden. Sie tragen zum Teil die gleichen Symbole wie die Nebra-Scheibe.

Einen Venus-Kalender trägt auch die bronzene Scheibennadel von Falera (Graubünden). Die bislang rätselhaften Goldhüte, ebenfalls in das zweite vorchristliche Jahrtausend datiert, ergeben weitere astronomische Hinweise.

Doch die Archäologie berichtet noch mehr: Etwa in der Mitte dieses Jahrtausends fand in Mitteleuropa eine kulturelle und wohl auch religiöse Umwälzung statt. Sie war an kultischen Bestattungen sakraler Gegenstände zu erkennen, die vorsätzlich für das Ritual unbrauchbar gemacht worden waren, so zum Beispiel die Nebra-Scheibe, die ebenso berühmten Goldhüte, die Salzmünder Steinbeile, das Venus-Zepter von Bernstorf.

So kann Kerner sogar die astronomische Entwicklung innerhalb der Bronzezeit nachvollziehen: zunächst das Entstehen überaus komplexer Kalender, die Sonne, Mond und Planeten zugleich berücksichtigten. Nach Bestattung der zugehörigen Kultobjekte gingen die Sternkundigen zu einem reinen Sonnen- und Mondkalender über, wie wir ihn auch heute noch benutzen. Als neue Beobachtungshilfen treten die sog. Mondhörner auf.

Den Endpunkt bilden die sog. Regenbogenschüsselchen der Kelten, deren Abbildungen ebenfalls als astronomische Darstellungen erklärt werden können. Mit ihrem sog. Kalender von Coligny aus Caesars Zeit ist die Zeit der julianischen Kalenderreform erreicht.

Kerners Methode kann auch Bauten entschlüsseln, insbesondere Stonehenge und Woodhenge, aber auch das Planetarium von Planezzas. So entlockt der Autor einer schriftlosen Epoche ihre Geheimnisse und ihre Wissensinhalte, gerade weil er nicht spekuliert, sondern kalkuliert. Eine mit vielen detaillierten Berechnungen und nützlichen Grafiken untermauerte These in einem fundierten Buch.

368 S., 85 Abb., 7 Tabellen, Gebunden, 24,90 €,
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